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37. Auszug aus dem Urteil der ARK vom 28. Juni 1996
i.S. B.M., Bundesrepublik Jugoslawien

Art. 14a Abs. 1 und 2 ANAG: Unmöglichkeit des Wegweisungsvollzugs; Wiedererwägungsgesuch.

1. Verfügungscharakter eines Schreibens des BFF bejaht, worin einem Gesuch um Wiedererwägung der rechtskräftigen Wegweisungsverfügung nicht entsprochen wird (Erw. 2).

2. Eine freiwillige Rückkehr ist abgewiesenen kosovo-albanischen Asylbewerbern, die über gültige Reisepässe verfügen, nicht möglich (Erw. 5b-c; Präzisierung der Praxis gemäss EMARK 1995 Nr. 14, Erw. 8b).

3. Die Unmöglichkeit der freiwilligen Heimreise und der Rückschaffung abgewiesener kosovo-albanischer Asylbewerber ist weiterhin auf unabsehbare Zeit unmöglich (Erw. 5d; Bestätigung der Praxis gemäss EMARK 1996 Nr. 36 und 1995 Nr. 14).

Art. 14a, al. 1 et 2 LSEE : impossibilité de l'exécution du renvoi (demande de réexamen).

1. Caractère de décision reconnu à une lettre aux termes de laquelle l'ODR ne donne pas suite à une demande de réexamen d'une décision de renvoi entrée en force de chose jugée (consid. 2).

2. Le retour volontaire de demandeurs d'asile d'ethnie albanaise, originaires du Kosovo, munis de passeport valables n'est pas possible

d: Bezeichnung gemäss Mitteilung EDA vom 16. Oktober 1996 nach der Anerkennung der SRJ durch die Schweiz vom 30. September 1996.
f : Désignation officielle selon communication du DFAE du 16 octobre 1996, après la reconnaissance de la République fédérale de Yougoslavie (SRJ) par la Suisse le 30 septembre 1996.
i: Denominazione ufficiale secondo comunicazione del DFAE del 16 ottobre 1996 a seguito del riconoscimento della Repubblica federale di Jugoslavia (SRJ) da parte della Svizzera il 30 settembre 1996.


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(consid. 5b - c ; précision de jurisprudence [cf. JICRA 1995 no 14, consid. 8b]).

3. Le retour volontaire ainsi que l'exécution des renvois des demandeurs d'asile déboutés appartenant à la catégorie précitée, sont impossibles pour une durée indéterminée (consid. 5d ; confirmation de jurisprudence [cf. JICRA 1996 no 36 et 1995 no 14]).

Art. 14a cpv. 1 e 2 LDDS: impossibilità dell'esecuzione dell'allontanamento; domanda di riesame.

1. Carattere di decisione di uno scritto dell'UFR nel quale non è stato dato seguito ad una domanda di riesame di una decisione di rinvio cresciuta in giudicato (consid. 2).

2. Un ritorno volontario di richiedenti l'asilo di etnia albanese originari del Kossovo, muniti di passaporti validi, non è possibile (consid. 5b-c; precisazione della giurisprudenza di cui a GICRA 1995 n. 14, consid. 8b).

3. Il ritorno volontario nonché l'esecuzione dei rinvii di richiedenti l'asilo di etnia albanese originari del Kossovo è impossibile per tempo indeterminato (consid. 5d; conferma della giurisprudenza di cui a GICRA 1996 n. 36 e 1995 n. 14).

Zusammenfassung des Sachverhalts:

Der Beschwerdeführer reichte am 4. Oktober 1993 in der Schweiz ein Asylgesuch ein. Mit Verfügung vom 27. Dezember 1993 lehnte das BFF dieses ab und ordnete die Wegweisung und deren Vollzug an. Die gegen den Vollzug der Wegweisung gerichtete Beschwerde wies die ARK mit Urteil vom 11. Februar 1994 ab. Das BFF setzte die Ausreisefrist des Beschwerdeführers auf den 28. Februar 1994 fest.

Auf ein Wiedererwägungsgesuch vom 3. Mai 1994 trat das BFF am 6. Mai 1994 nicht ein. Auf ein Revisionsgesuch vom 19. Dezember 1994 trat die ARK mit Urteil vom 3. Januar 1995 ebenfalls nicht ein. Ein weiteres Wie-


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dererwägungsgesuch vom 14. März 1995 hat das BFF schliesslich mit Verfügung vom 19. Mai 1995 abgewiesen.

Der Beschwerdeführer reichte am 31. Januar 1996 beim BFF erneut ein Wiedererwägungsgesuch ein und beantragte, es sei wiedererwägungsweise festzustellen, dass der Vollzug der Wegweisung seit über einem Jahr im Sinne von Artikel 14a Absatz 2 ANAG nicht möglich sei. Er sei von Amtes wegen wiedererwägungsweise vorläufig aufzunehmen. Dem Gesuch sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen. Zur Begründung führte er aus, dass er entsprechend dem Grundsatzentscheid der ARK vom 27. Juni 1995 (EMARK 1995 Nr. 14) die Voraussetzungen für die vorläufige Aufnahme erfülle.

Mit Schreiben vom 23. Februar 1996 teilte das BFF dem Beschwerdeführer mit, die vorläufige Aufnahme zufolge technischer Unmöglichkeit des Wegweisungsvollzuges sei unter anderem dann anzuordnen, wenn der Wegweisungsvollzug bereits ein Jahr lang unverschuldet unmöglich gewesen sei und die Unmöglichkeit auf unabsehbare Zeit weiterhin bestehe. Zur Zeit werde der Unmöglichkeit des Wegweisungsvollzuges bei abgewiesenen Asylbewerbern aus Rest-Jugoslawien mit einer generellen Erstreckung der Ausreisefristen bis 31. Januar 1996 Rechnung getragen. Entsprechend werde er zu gegebener Zeit Bescheid erhalten, soweit sich bis dahin keine entscheidwesentliche Änderung der Tatsachen- oder Rechtslage ergebe.

Am 25. März 1996 beantragt der Beschwerdeführer, die Verfügung des BFF vom 23. Februar 1996 sei aufzuheben. Es sei festzustellen, dass der Vollzug der Wegweisung seit über einem Jahr im Sinne von Artikel 14a Absatz 2 ANAG i.V.m. dem erwähnten Grundsatzentscheid der ARK nicht möglich sei. Es sei festzustellen, dass er die Voraussetzungen der vorläufigen Aufnahme gemäss EMARK 1995 Nr. 14 erfülle. Das BFF sei anzuweisen, ihm von Amtes wegen die vorläufige Aufnahme zu gewähren. Der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen.

Das BFF beantragt in der Vernehmlassung vom 30. April 1996 die Abweisung der Beschwerde.

Die ARK heisst die Beschwerde gut und weist das BFF an, den Beschwerdeführer vorläufig aufzunehmen.


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Aus den Erwägungen:

2. - Beschwerde- beziehungsweise Anfechtungsobjekt des Verwaltungsverfahrens ist die Verfügung (vgl. Art. 44
SR 172.021 Loi fédérale du 20 décembre 1968 sur la procédure administrative (PA)
PA Art. 44 - La décision est sujette à recours.
VwVG). Als solche Verfügungen gelten Anordnungen der Behörden im Einzelfall gestützt auf öffentliches Recht des Bundes, welche die Begründung, Änderung oder Aufhebung von Rechten oder Pflichten, die Feststellung des Bestehens, Nichtbestehens oder Umfanges von Rechten oder Pflichten oder die Abweisung von Begehren auf Begründung, Änderung, Aufhebung oder Feststellung von Rechten oder Pflichten, oder Nichteintreten auf solche Begehren zum Gegenstand haben (vgl. Art. 5 Abs. 1 Bst. a
SR 172.021 Loi fédérale du 20 décembre 1968 sur la procédure administrative (PA)
PA Art. 5
1    Sont considérées comme décisions les mesures prises par les autorités dans des cas d'espèce, fondées sur le droit public fédéral et ayant pour objet:
a  de créer, de modifier ou d'annuler des droits ou des obligations;
b  de constater l'existence, l'inexistence ou l'étendue de droits ou d'obligations;
c  de rejeter ou de déclarer irrecevables des demandes tendant à créer, modifier, annuler ou constater des droits ou obligations.
2    Sont aussi considérées comme des décisions les mesures en matière d'exécution (art. 41, al. 1, let. a et b), les décisions incidentes (art. 45 et 46), les décisions sur opposition (art. 30, al. 2, let. b, et 74), les décisions sur recours (art. 61), les décisions prises en matière de révision (art. 68) et d'interprétation (art. 69).25
3    Lorsqu'une autorité rejette ou invoque des prétentions à faire valoir par voie d'action, sa déclaration n'est pas considérée comme décision.
-c VwVG). Das Vorliegen einer Verfügung ist Sachurteilsvoraussetzung des Beschwerdeverfahrens. Liegt keine Verfügung vor, ist auf eine Beschwerde nicht einzutreten.

a) Der Brief des BFF vom 23. Februar 1996 wird zwar nicht als Verfügung, sondern ausdrücklich als "Schreiben" bezeichnet. Dementsprechend enthält es auch keine Rechtsmittelbelehrung. Das BFF hält darin allerdings fest, welches die Voraussetzungen für eine vorläufige Aufnahme infolge Unmöglichkeit des Wegweisungsvollzuges seien, indem es feststellt, dass die vorläufige Aufnahme zufolge technischer Unmöglichkeit des Wegweisungsvollzuges unter anderem dann anzuordnen sei, wenn der Wegweisungsvollzug bereits ein Jahr lang unverschuldet unmöglich gewesen sei und die Unmöglichkeit auf unabsehbare Zeit weiter andauere. Es geht im weiteren offensichtlich davon aus, dass die Unmöglichkeit des Wegweisungsvollzuges bestehe und erklärt, dass diesem Zustand zur Zeit mit einer generellen Erstreckung der Ausreisefrist Rechnung getragen werde - womit es gleichzeitig, wenn auch nicht ausdrücklich, aussagt, dass demzufolge eben nicht die vorläufige Aufnahme angeordnet werde. Es stellt mit anderen Worten die gegenwärtige Unmöglichkeit des Wegweisungsvollzuges fest, ohne sich darüber zu äussern, ob dieser in absehbarer Zeit wieder möglich werden dürfte, und sieht von einer vorläufigen Aufnahme mit der Begründung ab, der Unmöglichkeit des
Wegweisungsvollzuges werde (statt mit der vorläufigen Aufnahme) mit der generellen Erstreckung der Ausreisefrist Rechnung getragen. Demzufolge lehnt es im Ergebnis die vorläufige Aufnahme beziehungsweise eine Wiedererwägung der rechtskräftigen Anordnung des Wegweisungsvollzugs ab. Aus dem Umstand, dass es dem Gesuchsteller "zu gegebener Zeit" - also später - seinen Bescheid zukommen lassen will, ergibt sich zwar, dass das BFF sein Schreiben vom 23. Februar 1996 (noch) nicht als Verfügung über das Wiedererwägungsgesuch verstanden haben will. Dies ändert jedoch nichts daran, dass es bereits im "Schreiben" vom 23. Februar 1996 tatsächlich verbindliche Anordnungen bezüglich der


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Rechtsstellung des Gesuchstellers trifft, indem es einerseits, wie bereits erwähnt, die mehr als einjährige Unmöglichkeit des Vollzuges bestätigt, und andererseits sich weigert, aufgrund einer anderen Einschätzung der künftigen Entwicklung als jener des Beschwerdeführers die vorläufige Aufnahme anzuordnen. Auch dass das Bundesamt dem Wiedererwägungsgesuch diese Behandlung lediglich "zur Zeit" zukommen lassen will, tut der Unmissverständlichkeit seines Handelns keinen Abbruch. Das fragliche Schreiben ist deshalb ungeachtet der erwähnten formellen Mängel, aus denen dem Beschwerdeführer zudem keine Rechtsnachteile erwachsen sind, als Verfügung im Sinne von Artikel 5
SR 172.021 Loi fédérale du 20 décembre 1968 sur la procédure administrative (PA)
PA Art. 5
1    Sont considérées comme décisions les mesures prises par les autorités dans des cas d'espèce, fondées sur le droit public fédéral et ayant pour objet:
a  de créer, de modifier ou d'annuler des droits ou des obligations;
b  de constater l'existence, l'inexistence ou l'étendue de droits ou d'obligations;
c  de rejeter ou de déclarer irrecevables des demandes tendant à créer, modifier, annuler ou constater des droits ou obligations.
2    Sont aussi considérées comme des décisions les mesures en matière d'exécution (art. 41, al. 1, let. a et b), les décisions incidentes (art. 45 et 46), les décisions sur opposition (art. 30, al. 2, let. b, et 74), les décisions sur recours (art. 61), les décisions prises en matière de révision (art. 68) et d'interprétation (art. 69).25
3    Lorsqu'une autorité rejette ou invoque des prétentions à faire valoir par voie d'action, sa déclaration n'est pas considérée comme décision.
VwVG zu betrachten.

b) (Uebrige Eintretensvoraussetzungen)

3. (Aufschiebende Wirkung)

4. - Das BFF hält in der angefochtenen Verfügung fest, der Unmöglichkeit des Wegweisungsvollzuges werde zur Zeit mit einer generellen Erstreckung der Ausreisefrist bis zum 31. Juli 1996 Rechnung getragen. Es erklärt damit gleichzeitig - wenn auch unausgesprochen -, dass es die vorläufige Aufnahme nicht anordnet, weil der Unmöglichkeit des Wegweisungsvollzuges bereits mit der generellen Erstreckung der Ausreisefrist Rechnung getragen werde. Die Verfügung ist damit zwar knapp, aber hinreichend begründet. Aus der Rechtsmitteleingabe geht im übrigen hervor, dass der Beschwerdeführer unbesehen seiner anderslautenden Ausführungen sehr wohl in der Lage war, die Verfügung des BFF sachgerecht anzufechten. Entgegen der Darstellung in der Beschwerde liegt demnach keine Verletzung der Begründungspflicht und damit des rechtlichen Gehörs des Beschwerdeführers vor. Zu prüfen bleibt daher einzig, ob das BFF die vorläufige Aufnahme des Beschwerdeführers wegen Unmöglichkeit des Vollzuges der Wegweisung zu Recht nicht angeordnet hat.

5. a) Ist der Vollzug der Wegweisung nicht möglich, nicht zulässig oder nicht zumutbar, so verfügt das Bundesamt für Flüchtlinge die vorläufige Aufnahme (Art. 18
SR 142.31 Loi du 26 juin 1998 sur l'asile (LAsi)
LAsi Art. 18 Demande d'asile - Est considérée comme une demande d'asile toute manifestation de volonté par laquelle une personne demande à la Suisse de la protéger contre des persécutions.
AsylG und 14a Abs. 1 ANAG). Die Formulierung dieser Gesetzesbestimmungen zeigt unmissverständlich, dass die vorläufige Aufnahme blosse Rechtsfolge der Undurchführbarkeit des Wegweisungsvollzuges ist; ein Ermessen darüber, ob diese Ersatzmassnahme an die Stelle der undurchführbaren Wegweisung treten soll oder nicht, besteht nicht. Dieser Automatismus erfährt nur zwei Einschränkungen, eine gesetzliche und eine von der Praxis entwickelte: Trotz feststehender Unzumutbarkeit ist die Wegweisung zu vollziehen, wenn der Weggewiesene die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet


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oder in schwerwiegender Weise verletzt hat (vgl. Art. 14a Abs. 6
SR 142.31 Loi du 26 juin 1998 sur l'asile (LAsi)
LAsi Art. 18 Demande d'asile - Est considérée comme une demande d'asile toute manifestation de volonté par laquelle une personne demande à la Suisse de la protéger contre des persécutions.
ANAG und die Praxis der ARK zur Rechtsgüterabwägung), und trotz festgestellter Unmöglichkeit kann vorübergehend von der Anordnung der vorläufigen Aufnahme abgesehen werden, wenn das Ende des verunmöglichten Wegweisungsvollzuges innerhalb weniger als eines Jahres absehbar ist oder dieses zwar nicht absehbar ist, aber die im individuellen Fall bereits bestehende Periode unmöglichen Vollzuges weniger als ein Jahr gedauert hat (vgl. EMARK 1995 Nr. 14). In allen anderen Fällen muss bei Bestehen von Vollzugshindernissen die vorläufige Aufnahme angeordnet werden.

b) Vorliegend ist unbestritten, dass der zwangsweise Vollzug der Wegweisung nach Rest-Jugoslawien seit dem 11. Februar 1994 (Rechtskraft der Wegweisung), mithin mehr als einem Jahr, nicht möglich ist. Das BFF weist in der Vernehmlassung jedoch zutreffend darauf hin, dass gemäss Rechtsprechung der ARK eine vorläufige Aufnahme nicht in Betracht falle, wenn zwar die Vollzugsorgane keine Möglichkeit zur Ausschaffung haben, der Gesuchsteller aber von sich aus die Möglichkeit zur legalen Wiedereinreise im Heimatland hätte, da unter diesen Umständen kein Anlass bestehe, einem Ausländer, welcher keines Schutzes bedarf, sondern allein durch seinen Unwillen zur Ausreise eine solche verunmöglicht, Aufenthalt in Form der vorläufigen Aufnahme zu geben (EMARK 1995 Nr. 14, S. 134 f. Erw. 8a). Wie das BFF weiter festhält, geht aus den Akten nicht hervor, dass der Beschwerdeführer versucht hat, seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen, obwohl er einen bis zum 20. Januar 1998 gültigen jugoslawischen Reisepass besitzt. Es stellt sich damit sinngemäss auf den Standpunkt, im Falle des Beschwerdeführers könne nicht davon ausgegangen werden, eine freiwillige Ausreise und Wiedereinreise in seinen Heimatstaat sei nicht möglich, da er gar nicht
versucht habe, seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen.

c) Das BFF selbst ist bis anhin davon ausgegangen, dass heute aufgrund der restriktiven Einreisebestimmungen des Belgrader Verkehrsministeriums vom 28. November 1994 auch die freiwillige Rückkehr nicht möglich ist, da die serbischen Behörden die Einreise von freiwillig ausgereisten Personen meist nicht bewilligen, wenn jene feststellen, dass diese in der Schweiz ein Asylverfahren durchlaufen haben. Die ARK hat in dem Zusammenhang festgestellt, dass es zwar aufgrund dahingehender - allerdings nicht belegter - Berichte einzelnen abgewiesenen Asylbewerbern gelungen sein soll, mit ihren gültigen Reisepapieren tatsächlich ins Heimatland zurückzureisen. Sie hat aber gleichzeitig festgehalten, dies bedeute nicht, dass eine solche Heimreise ohne weiteres möglich sei, es scheine zur Zeit eher so, dass trotz gültiger Reisepapiere


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die freiwillige Wiedereinreise von Kosovo-Albanern in Rest-Jugoslawien in der Regel nur bewerkstelligt werden kann, wenn der Betreffende über eine ordentliche Aufenthalts- oder eine Niederlassungsbewilligung im Ausland verfügt hat oder noch immer verfügt, wobei selbst in diesen Fällen eine Einreisebewilligung nicht sicher ist (vgl. dazu EMARK 1995 Nr. 14, S. 135 f. Erw. 8b). Damit ist indessen bereits gesagt, dass auch wenn die freiwillige Rückkehr eines abgewiesenen Asylbewerbers nach Rest-Jugoslawien nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, die Wahrscheinlichkeit der erfolgreichen Wiedereinreise aufgrund der bisherigen Erkenntnisse als zu gering einzustufen ist.

Angesichts der zum vornherein minimen Erfolgsaussichten, als abgewiesener Asylbewerber überhaupt eine Einreisebewilligung der jugoslawischen Grenzkontrollbehörden zu erhalten, ist es daher zur Zeit unverhältnismässig, von den Betroffenen zu verlangen, die Wiedereinreise nach Rest-Jugoslawien zumindest zu versuchen. Diese Sichtweise rechtfertigt sich umsomehr, als kaum kontrolliert werden könnte, ob der Betroffene tatsächlich versucht hat, in sein Heimatland einzureisen, und dass dieser vermutlich in den seltensten Fällen wird nachweisen können, dass er an der Grenze keine Einreiseerlaubnis erhalten hat sowie zurückgewiesen wurde. Im weiteren kann von den Betroffenen nicht erwartet werden, gegenüber den jugoslawischen Grenzkontrollorganen zu versuchen, unter Vorspiegelung falscher Tatsachen bezüglich des Auslandaufenthaltes die Einreiseerlaubnis zu erhalten. Letzteres zu verlangen fällt schon deshalb nicht in Betracht, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Betroffene bei allfälliger Entdeckung Gefahr läuft, wegen Widerhandlung gegen die zwar völkerrechtswidrigen, faktisch aber dennoch massgebenden Einreisebestimmungen Rest-Jugoslawiens in Schwierigkeiten zu geraten. Gegenwärtig erscheint daher gerechtfertigt, auch dann
von der Unmöglichkeit der freiwilligen Rückkehr auszugehen, wenn der mit gültigen Reisepapieren ausgestattete Betroffene - wie vorliegend - gar nicht erst versucht hat, freiwillig nach Rest-Jugoslawien zurückzukehren.

d) Es wird festgestellt, dass für diejenigen abgewiesenenen Asylbewerber, deren Wegweisungsvollzug seit mehr als einem Jahr unmöglich ist, mittels Bundesratsbeschluss eine vorläufige Aufnahme durch eine Ausreisefristverlängerung nur dann vorderhand abgewendet werden kann, wenn der Zeitpunkt des möglichen Vollzugs absehbar ist. Nur in diesem Fall stellt die Fristverlängerung keine Verletzung der zwingenden Gesetzesnorm von Artikel 14a Absatz 1
SR 142.31 Loi du 26 juin 1998 sur l'asile (LAsi)
LAsi Art. 18 Demande d'asile - Est considérée comme une demande d'asile toute manifestation de volonté par laquelle une personne demande à la Suisse de la protéger contre des persécutions.
ANAG (entweder Vollzug oder Ersatzmassnahme; vgl. oben Erw. 5a) dar. "Absehbar" hiesse in diesem Zusammenhang, dass die Regierung Rest-


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Jugoslawiens mit abschätzbar hoher Wahrscheinlichkeit in den nächsten Monaten die Wiedereinreise ihrer Landsleute formell erlaube und die Grenzorgane in der Folge die Wiedereinreise tatsächlich auch bewilligen würden.

Die ARK hat bereits in Sachen D.B., M.B., A.B. und M.F., alle Rest-Jugoslawien (unveröffentlichte Urteile vom 18. März 1996, vom 12. Juni 1996 und 9. April 1996) festgehalten, dass bisher sämtliche Vorstösse schweizerischer Behörden - namentlich auch die im Februar 1996 erfolgten Gespräche einer Schweizer Delegation mit Behördenvertretern Rest-Jugoslawiens - in bezug auf die Rückübernahme von Asylbewerbern ergebnislos verlaufen sind. In den Urteilen vom 12. Juni 1996 wurde ausserdem festgestellt, der Umstand, dass die Behörden Rest-Jugoslawiens dem deutschen Aussenminister den Abschluss eines Rückübernahmeabkommens zugesichert haben sollen, bedeute noch nicht, dass ein entsprechendes Abkommen auch mit der Schweiz geschlossen werde. Weiter wurde ausgeführt, mit der Argumentation des BFF, das EJPD beantrage dem Bundesrat, diesbezügliche Verhandlungen zu führen, werde weder über die Erfolgsaussichten noch den Zeitpunkt des Abschlusses solcher Verhandlungen konkret etwas ausgesagt. Das BFF nennt keine Indizien, geschweige denn Fakten, die auf ein bevorstehendes Einlenken der Behörden Rest-Jugoslawien schliessen liessen. Aus der Sicht der ARK besteht mithin weiterhin kein Grund zur Annahme, dass sich am bestehenden Zustand demnächst
etwas ändern wird - umsoweniger als Rest-Jugoslawien einen von der Schweiz in der zweiten Juni-Woche 1996 erwünschten Verhandlungstermin abgelehnt hat. Im gegenwärtigen Zeitpunkt hat die Schweiz - im Unterschied zu den meisten europäischen Staaten - noch nicht einmal Rest-Jugoslawien als "Bundesrepublik Jugoslawien" anerkannt, was die Wahrscheinlichkeit, dass zwischen der Schweiz und Jugoslawien nächstens ein bilateres Rückübernahmeabkommen zustandekommen wird, als gering erscheinen lässt. Es ist nach wie vor weder absehbar, wann Reisepapiere für abgewiesene Asylbewerber wieder erhältlich gemacht werden können, noch wann Rest-Jugoslawien seine Staatsangehörigen, ob sie nun gültige Reisedokumente oder Ersatzreisepapiere haben, wieder einreisen lässt.

6.- Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die freiwillige Rückkehr, wie auch der zwangsweise Vollzug der Wegweisung des Beschwerdeführers nach Rest-Jugoslawien (Kosovo) seit mehr als einem Jahr nicht möglich war und weiterhin auf unabsehbare Zeit nicht möglich sein wird. Die Beschwerde erweist sich bei dieser Sachlage als begründet und ist demzufolge gutzuheissen. Die angefochtene Verfügung ist daher aufzuheben und das Bundesamt anzuweisen, den Beschwerdeführer vorläufig aufzunehmen.


Information de décision   •   DEFRITEN
Document : 1996-37-330-337
Date : 28 juin 1996
Publié : 28 juin 1996
Source : Autorités antérieures de la LPP jusqu'en 2006
Statut : Publié comme 1996-37-330-337
Domaine : Federal Republic of Yugoslavia
Objet : Art. 14a Abs. 1 und 2 ANAG: Unmöglichkeit des Wegweisungsvollzugs; Wiedererwägungsgesuch.
Classification : Confirmation de la Jurisprudence
Précision de la Jurisprudence


Répertoire des lois
LAsi: 18
SR 142.31 Loi du 26 juin 1998 sur l'asile (LAsi)
LAsi Art. 18 Demande d'asile - Est considérée comme une demande d'asile toute manifestation de volonté par laquelle une personne demande à la Suisse de la protéger contre des persécutions.
LSEE: 14a
PA: 5 
SR 172.021 Loi fédérale du 20 décembre 1968 sur la procédure administrative (PA)
PA Art. 5
1    Sont considérées comme décisions les mesures prises par les autorités dans des cas d'espèce, fondées sur le droit public fédéral et ayant pour objet:
a  de créer, de modifier ou d'annuler des droits ou des obligations;
b  de constater l'existence, l'inexistence ou l'étendue de droits ou d'obligations;
c  de rejeter ou de déclarer irrecevables des demandes tendant à créer, modifier, annuler ou constater des droits ou obligations.
2    Sont aussi considérées comme des décisions les mesures en matière d'exécution (art. 41, al. 1, let. a et b), les décisions incidentes (art. 45 et 46), les décisions sur opposition (art. 30, al. 2, let. b, et 74), les décisions sur recours (art. 61), les décisions prises en matière de révision (art. 68) et d'interprétation (art. 69).25
3    Lorsqu'une autorité rejette ou invoque des prétentions à faire valoir par voie d'action, sa déclaration n'est pas considérée comme décision.
44
SR 172.021 Loi fédérale du 20 décembre 1968 sur la procédure administrative (PA)
PA Art. 44 - La décision est sujette à recours.
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1995/14 • 1995/14 S.134 • 1995/14 S.135 • 1996/36 S.14